Michael und die MOTTE

Im September geht Michael Wendt, Geschäftsführer unseres Stadtteil- und Kulturzentrums, in Rente. Bis dahin möchte wir mit ihm und euch zusammen in Erinnerungen schwelgen und die letzten 28 Jahre Revue passieren lassen.

                                    

 

Interview Teil 1/3

Wie war dein erster Tag in der MOTTE?

An den wirklich ersten Tag kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich erinnere mich sehr intensiv an die Anfangszeit und an all das, was dazu geführt hat, warum ich diese Stelle bekam und antrat. Aber diese Geschichte würde den Rahmen hier jetzt sprengen ; ) Jedenfalls erinnere ich sehr starke Turbulenzen im Verein.

Warum wolltest du damals in der MOTTE anfangen?

Ich hatte einen gewissen Ehrgeiz, mein Wissen aus der Bewegungszeit der 90er Jahre als Unterstützung zur Klärung in die damalige Streitsituation der MOTTE einzubringen. Mich hat es gereizt, die MOTTE als Infrastruktur zu erhalten und über die zwischenmenschlichen Probleme hinwegzuhelfen.

Welchen Tipp würdest du deinem jüngeren Ich geben?

Ich habe damals eine starke Zufriedenheit daraus erlangt, dass ich aus meinem Job heraus Menschen unterstützen und begleiten konnte. Das führte natürlich im Laufe der Zeit dazu, dass ich sehr viel übernommen habe. Rückblickend würde ich sagen, dass ich es bzgl. meines Zeitmanagements anders machen würde – denn ich habe mich darin, dass ich so viel für andere getan habe, auch ein bisschen verloren. Heute wäre ich vorsichtiger, mal eben zu entscheiden, etwas für andere zu machen, nur weil es z.B. irgendwo an Kommunikation oder guter Organisation fehlt.

Interview Teil 2/3

Wie hat sich die MOTTE in den letzten 28 Jahren verändert?

Die MOTTE hat sich bis heute sehr stark verändert. Die ersten 20 Jahre gab es eine quirlige Gemeinschaft mit gelebter Selbstverwaltung. Dann entstand zu Beginn der 90er Jahre eine Krisensituation im Haus, die auch zu meiner Einstellung führte. So entstanden in den letzten 28 Jahren mit einer anderen Form der Geschäftsführung auch andere Dynamiken. Die MOTTE entfaltete sich neu. Jetzt durch die 28 Jahre konnte ein stabiles und weites Netzwerk aufgebaut werden, lokal und international. Die MOTTE erfreut sich einer großen Beliebtheit. Ich fand es toll, dass das starke Selbstvertrauen der MOTTE dafür sorgte, dass wir immer wieder unglaublich schöne und neue Projekte entwickelt haben. In der MOTTE gab es ständig neue „Verpuppungen“ und Entfaltungen und Falter in verschiedenen Farben, die aufgestiegen sind.

Was für eine Aufgabe hatte die MOTTE damals?

Die Antwort darauf ist ein bisschen zwiegespalten. Zum einen sah es damals von außen für die Politik so aus, als ob die MOTTE sich selber abschaffen würde. Dies hat aber neue Impulse freigesetzt, gegen alle Widerstände, für den Erhalt zu kämpfen. In der damaligen Selbstfindung wurde um Erhalt vs. Erneuerung gerungen. Es ging um die Zukunft. Und einige blieben für diese Zukunft, andere wanderten ab.

Was für eine Aufgabe hat die MOTTE heute?

Die Aufgabe der MOTTE heute ist, sich wieder mal neu zu erfinden. Mut für die eigene Wahrnehmung und den Willen, zu diskutieren, dass es eine Zeit vor dem Jetzt gab und eine Zeit nach dem Jetzt geben wird. Wir brauchen Tarifverträge für unsere Mitarbeiter*innen, wir brauchen mehr Bildung für Junge, Erwachsene und Alte, in Bezug auf die Dynamiken der Veränderungen in unserer Gesellschaft. Die MOTTE soll wieder ein Ort werden, der viel besucht wird, der sich stets weiterentwickelt. Und eine der größten Aufgaben ist es, daran zu arbeiten, stets große Freude am Wirken im Stadtteil zu haben.

Interview Teil 3/3

28 Jahre – was war dein Lieblingsprojekt?

Ich ändere das mal in „Wann habe ich mir am besten gefallen?“ *lacht* Die Antwort: Wenn ich über eine längere Zeit kontinuierlich bei einer Entwicklung helfen und unterstützen durfte und konnte. Es kamen in meiner Zeit viele Menschen mit diversen Ideen zur MOTTE und zu mir. Durch meine Arbeit mit ihnen, blieben sie auch länger, bis sie irgendwann als voll entwickelter Falter wegfliegen konnten. Aber sie kamen auch zurück, weil sie wussten, dass sie hier immer einen Platz haben würden.  Das waren schöne Momente für mich, wenn ich gemerkt habe, oder mir gesagt wurde, dass ich da etwas richtig gemacht habe. Als Geschäftsführer kann man sich manchmal vor lauter Ansprüchen nicht retten und es ist sehr selten, dass man gesagt bekommt, dass man etwas gut gemacht hat. Schön war aber nicht nur der Entwicklung anderer beizuwohnen, sondern auch meine eigene reflektieren zu können.

Womit hast du am meisten Zeit verbracht?

Das kam auf die aktuelle Phase an. In meiner Anfangszeit habe ich sehr viel Zeit damit verbracht Netzwerke aufzubauen und Projekte zu entwickeln. Daraus entstanden z.B. das AKTIVOLI Netzwerk, die Produktionsschule Altona, die altonale und „Sound in the Silence“. Auch wenn ich in dieser Zeit oft aus der Puste war, war das einfach nur eine krass schöne Zeit. Im Jahr vor der ersten altonale habe ich z.B. über 100 Gespräche mit verschiedenen Menschen in der Nachbarschaft, Behörden und der Zivilgesellschaft geführt, um sie für das Projekt zu begeistern. Diese Zeiten liegen lang hinter mir. In den letzten 10 Jahren habe ich so unglaublich viel Zeit vor dem PC verbracht. Diese Verdichtung am Arbeitsplatz im bürokratischen Sumpf voller Anspruchswucht, ist etwas, was dazu geführt hat, dass ich vor 10 Jahren schon überlegte, ob das noch etwas für mich ist. Am PC wird natürlich auch viel kommuniziert, aber es ist nicht das Gleiche. Nichtsdestotrotz blicke ich auch auf diese Zeit mit Wohlwollen zurück, denn auch über diese Veränderung am Arbeitsplatz konnte ich mich entfalten.

Was hast du jetzt vor und wird die MOTTE weiterhin ein Teil von deinem Leben sein?

Vor ein paar Jahren hätte ich noch gesagt, dass ich der MOTTE gar nicht erhalten bleibe. So aus dem Gedanken heraus, dass jetzt auch mal genug ist – die MOTTE hat dich aufgesogen und du willst weg. Nach dieser Klarheit aber entstand ein Projekt, bei dem ich mir richtig gut vorstellen kann, als Ehrenamtlicher dabei zu bleiben – die Archivierung der MOTTE. Die MOTTE erinnerbar machen. Dieses Projekt hat mir bis jetzt viel Spaß gemacht und das 50. Jubiläum der MOTTE in 2026 soll dann mein letztes Ziel sein, dass ich hier erreichen möchte.